von Sabine Neugebauer
Auch eine gute Entscheidung braucht die gezielte Umsetzung. Obwohl nun der akute Problemdruck weg ist, darf nicht vergessen werden, die Umsetzungsschritte zu bestimmen, zu terminieren und mit einer möglichst großen Verbindlichkeit zu versehen. So wird man die Ernte der Kriterienwertung am besten einfahren können.
Das ist der Stand: Das Ergebnis der Kriterienbewertung liegt vor. Es muss "nur" noch in die Tat umgesetzt werden. Das waren die Schritte bisher:
1. Alternativen und Entscheidungsfrage (Die Qual der Wahl)
2. Kriterien definieren und gewichten (Individuelle Bewertungskriterien als Maßstab)
3. Kriterienerfüllung jeder Alternative einschätzen (Die beste Alternative... errechnen!)
4. Die beste Idee im Sinne der Kriterien weiter verbessern (Alternativen nachoptimieren)
Es ist leider allzu menschlich, nun erleichtert aufzuatmen und die Tücken der Umsetzung zu unterschätzen!
Den Schwung der Entscheidung nutzen
In unserem Fallbeispiel hatte Sebastian mithilfe der Kriterienbewertung erkannt, dass die neue Chance im Team Digital Marketing leider doch mehr Nachteile hatte. Es war besser, in seiner bisherigen Marketingabteilung zu bleiben, dort aber zu versuchen, spannendere Aufgaben zu bekommen und seine Fähigkeiten mehr einzubringen. Da er nun klare Absichten hatte, fühlte er sich zuversichtlich und hielt eine weitere Coachingstunde für überflüssig. Vorsichtshalber verabredeten wir, im nächsten Monat noch einmal zu telefonieren.
Und das war auch gut so. Sebastian wirkte inzwischen ziemlich frustiert. Irgendwie hatte er keine Gelegenheit gefunden, seine Wünsche dem Chef zu unterbreiten. Es hatte sich also gar nicht verbessert, und er zweifelte sogar daran, dass die Entscheidung die Richtige war.
Wenn der Entscheidungsdruck weg ist und man weiß, was man machen will, dann fühlt sich das so richtig gut an. Als ob es schon geschafft wäre! Das ist allerdings verfrüht. Leicht kann es passieren, dass wir den Schwung verlieren und zu spät und halbherzig an die Umsetzung gehen. Deshalb empfehle ich immer, sich eine Art Schrittplan zu machen, damit der Entschluss nicht versandet.
Zurück zu Sabastian: Zuerst wollte ich ihm helfen, wieder zu seiner hoffnungsvollen Stimmung zurückzufinden. Dazu bat ich ihn, aufzustehen und im Raum eine Position A (= heute) und B (= sein
Entschluss ist umgesetzt) mit Kärtchen auf dem Boden zu markieren. Dann sollte er sich auf B stellen und sich die Situation ausmalen, wie er im Marketing neue spannende Aufgaben bearbeitet und
sich so richtig einbringt. Nach kurzem Stirnrunzeln hellte sich seine Miene auf. Er erzählte, dass er eine Reihe innerer Bilder gesehen hätte, lebendig, farbig, schnell wechselnd. Dabei hätte er
ein Gefühl von hoher, aber angenehmer Belastung gehabt, und gespürt, dass er wichtig sei.
Nachdem sein Ziel wieder in seiner Vorstellungswelt aktualisiert war, sollte er sich auf A stellen und vom Heute auf das Ziel schauen: Was kann er konkret unternehmen, anstoßen oder anfragen, um dorthin zu kommen? Sebastian entwickelte Ideen, die ich in Stichworten auf Kärtchen notierte.
Einen ganzen Köcher voller Pfeile haben
Es ist sinnvoll, viele Ansatzpunkte für die Umsetzung seiner Entscheidung zu finden. Dazu kann man ein kleines Brainstorming machen, aber auch Freunde fragen.
Sebastian hatte jede Menge Ideen: Mit dem Abteilungsleiter reden, ja - aber hartnäckig! Wenn er seinen Wunsch nicht nur einmal ansprach, sondern auf Team-Meetings und im Jahresgespräch wieder, hätte das mehr Nachdruck. Auch kann er mit Kollegen eigenständig Dinge vorantreiben, die er kreativer und spannender findet. Vielleicht wird auch eine Kontaktperson zum neuen Team Digital Marketing gesucht? Wie gemacht für ihn! Außerdem kann er mit der Orga-Abteilung Kontakt aufnehmen und anbieten, in übergreifenden Projekten die Perspektive des Marketings zu vertreten...
Eine To-do-Liste mit Verbindlichkeit
Wenn es zu viele Umsetzungsideen gibt, muss man ein wenig sortieren.
- Beispielsweise kann man einige Vorschläge auf eine "Reservebank" setzen, auf die man erst zugreift, wenn die ersten Ansätze nichts gefruchtet haben.
- Dann kann man ein Ranking machen von "einfach" bis "aufwändig" zu verwirklichen.
- Oder man legt einen Zeitstrahl an, auf dem man die Aktionen einordnet und damit terminiert.
Sebastian hatte seine Umsetzungsaktivitäten auf einer Zeitschiene terminiert, angefangen beim nächsten Arbeitstag bis hin zum Jahresgespräch in knapp 9 Monaten. Das sah gut aus. Nun galt es noch, die Verbindlichkeit zu erhöhen. Wie könnte er verhindern, dass er die Dinge vergisst oder schleifen lässt? Zwinkernd brachte ich eine Konventionalstrafe ins Gespräch, über die wir beide herzhaft lachten. Aber er sah die Notwendigkeit schon ein und hatte auch einen Einfall: Er würde die Liste seiner Freundin zeigen. Das war für ihn dann eine Sache der Ehre, den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Als wir abschließend nochmal auf die Anfangsfrage zurückblickten, war Sebastian fast erstaunt, wieviel sich daraus entwickelt hat. Als Ergebnis liegt nicht nur die Entscheidung nebst
Aktionsplan vor, sondern er ist sich viel bewusster, wie er eigentlich arbeiten und leben will. Vorteile weit über diese Situation hinaus!
Auch wenn die Kriterienentscheidung ein aufwändiges Verfahren ist, bietet sie die meiste Sicherheit bei wichtigen Entscheidungen und hat einigen Zusatznutzen.
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