von Sabine Neugebauer
Wie zapft man seinen intuitiven Erfahrungsschatz am besten an? Die Disney-Strategie bietet hierfür eine Struktur an. Man versetzt sich nacheinander in den Modus des "Visionärs", des "Realisten" und des "Kritikers". So werden unterschiedliche Erfahrungswerte aktiviert, ohne dass sie sich gegenseitig neutralisieren. Anschließend kann man ernten - aus allen drei Welten die besten Ideen!
Intuitiv entscheiden... da setzen wir uns ruhig hin und lassen die Kräfte des Unterbewussten in uns arbeiten. Geht das so? Meistens leider nicht. Entweder es kommen gar keine hilfreichen Vorschläge in unserem Kopf an, oder derselbe zerpflückt alles im Handumdrehen. Solche endlosen Gedankenkreise sollen es ja wohl nicht sein.
Deshalb ist es sinnvoll, der Intuition mit einem strukturierten Vorgehen einen Rahmen zu geben. Wir bilden einen geschützten Raum, in dem Gedanken oder auch vorsprachliche, mehr gefühlte Ideen aufsteigen können, ohne von der Kopfebene gleich seziert zu werden. Die Disney-Strategie arbeitet mit drei "Räumen".
Die drei Stationen der Disney-Strategie
Im Modus "Visionär" versetzen wir uns in eine erfinderische, kreative, spielerisch-verrückte Haltung.
Die Station "Realist" umfasst einen inneren Zustand, in dem wir umsetzungsorientiert, pragmatisch und planerisch sind.
Als "Kritiker" aktivieren wir eine Orientierung der Qualitätskontrolle, sind unbestechlich, prüfend und risikobewusst.
Svenja (Beispiel verfremdet) begeistert sich schon seit mehr als zehn Jahren für Entspannungsmethoden. Immer wieder überlegt sie , selbst einmal solche Kurse zu geben. Aber jedesmal melden sich Zweifel und Bedenken und lähmen sie.
Die Stationen mit emotionalem Erfahrungswissen "aufladen"
Im Coaching schlage ich ihr die Disney-Strategie vor. In drei Ecken des Raumes stelle ich Pinnwände auf, jeweils mit einem Symbolbild für die Station. Als erstes wird Svenja diese Stationen mit ihren erlebten Beispielen füllen. So stellt sie sich vor die erste Pinnwand "Visionärin": Wo war sie kreativ, ideenreich, begeistert, träumerisch, verrückt? Sie versenkt sich in ihre Erinnerungen, lacht manchmal kurz. Ich lasse ihr Zeit. Als sie mich wieder anschaut, bitte ich sie, kurze Stichworte oder kleine Bildchen auf die Pinnwand zu malen, als Erinnerungsanker. Sie erzählt von einer Projektwoche an der Schule, einem Theater-Workshop, ... ich stoppe sie. Es ist nicht wichtig, das zu berichten. Wichtig ist das dazu gehörige Gefühl, und diese Erinnerungen sind die Türen dazu.
Weiter geht es mit der Station "Realistin": Wo war sie überlegt und pragmatisch in der Umsetzung, hat systematisch und sorgfältig geplant? Wieder notiert sie Worte oder Skizzen zur Erinnerung.
An der dritten Pinnwand geht es um die "Kritikerin": Wo hat sie Vorschläge risikoorientiert untersucht, hat unbestechlich auf Schwachstellen geprüft und vorsichtig bewertet?
Die Entscheidungsfrage in jedem Modus erleben
Wenn die Stationen dergestalt mit gefühlten Erinnerungen aufgeladen sind, geht man sie ein zweites Mal durch. Svenja stellt sich in die "Visionärin"-Ecke, schaut sich ihre Notizen an und versetzt sich wieder in diesen emotionalen Zustand. "Wie wollen Sie als Entspannungskursleiterin tätig werden?", stelle ich die vorher festgelegte Frage. Svenja nimmt ihr Handy und diktiert einen ganzen Schwall von Ideen. Anschließend geht es bei den nächsten Stationen ebenso weiter.
In jedem der Strategie-Stationen tauchen Gedanken auf, die von den gefühlten Erinnerungen getriggert werden. Die stimmungsmäßige "Färbung" und die Gedankenrichtungen sind oftmals recht unterschiedlich. Die Ideen müssen irgendwie festgehalten werden. Man kann sie aufschreiben oder - wie im Beispiel - diktieren, das geht am schnellsten. Manchmal ist danach schon eine innere Klarheit erreicht, was man wie angehen will. Ansonsten bedarf es einer Nachbereitung, in der die Ideen sortiert und kombiniert werden.
Die intuitiven Erkenntnisse in Pläne gießen
Bei Svenja hat sich schon in der intuitiven Arbeit herauskristallisiert, dass sie über eine Unmenge von Ideen verfügt, aber eine Umsetzung nur über kleinere Schritte und in Form von Pilotprojekten sinnvoll ist. Sie nimmt nun als Hausaufgabe mit, so etwas auszuwählen und zu konkretisieren. Sie ist zuversichtlich: "Ich spüre so eine ruhige innere Strömung - das ist ganz anders als das Gedankenchaos, was sonst immer mit diesem Thema losging."
Die Disney-Strategie ist eine pragmatische und leicht zu erlernende Intuitionsübung. Besonders praktisch: Wenn wir die Stationen einmal eingerichtet und "aufgeladen" haben, können wir sie mit einer neuen Entscheidungsfrage immer wieder durchlaufen.
Die Methode ist auch gut geeignet für Gruppen, beispielsweise in einem Workshop. Dabei ist der Raumbedarf natürlich größer, ggf. braucht man auch drei separate Räume. Die Stationen können mit individuellen Erinnerungen, aber auch mit gemeinsamem Erfahrungswissen aus der Organisationsgeschichte gefüllt werden:
- Wo waren wir besonders innovativ und visionär?
- Was haben wir besonders sorgfältigg geplant und umgesetzt?
- Was ist bei uns der Inbegriff von Qualitätskontrolle?
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