von Sabine Neugebauer
Eigentlich hatte man ja klar entschieden. Doch nun geht es mit der Umsetzung nur zäh voran. Ursache kann ein unbewusster Widerstand sein. Wie wir ihm auf die Schliche kommen können und was das für die Entscheidung bedeutet, davon handelt dieser Beitrag.
Es fängt meist damit an, dass wir die Tragweite einer Entscheidung unterschätzen. Wir überlegen kurz, was wir wollen, wägen mal eben Für und Wider ab und fällen den Entschluss. Dass damit weitreichende Risiken und Nebenwirkungen verbunden sind, haben wir nicht erkannt.
Unser Unbewusstes "passt gut auf uns auf" und sorgt auf verschiedene Art und Weise dafür, dass wir mit der Umsetzung nicht vorankommen - was uns wundert, weil die Zweischneidigkeit der Entscheidung noch gar nicht realisiert haben!
Risiken und Nebenwirkungen der Entscheidung nicht erkannt
Das typische Symptom ist ein Kräfteverschleiss, der durch den inneren Widerstand verursacht wird. Wir kommen nicht vorwärts, und trotzdem ist es anstrengend. Es ist wie Fahren mit angezogener Handbremse. Genau das kann ein Signal sein, mal tiefer zu schauen .
Zum Beispiel Herr K. (Fall verfremdet): Er war als Diplom-Ingenieur in der Entwicklungsabteilung eines technischen Produktionsunternehmens angestellt. Zum Coaching kam er, um sein
Zeitmanagement zu verbessern. Die häufigen 10-Stunden-Tage hatte er satt. Wir sprachen also Prioritäten und Zeitfallen durch. Er lernte besser planen und geschmeidig "Nein" sagen, so
dass alles auf einem guten Weg schien.
Alles auf einem guten Weg - oberfächlich betrachtet
Nun wirkte allerdings die Körpersprache von Herrn K. auf mich zunehmend weniger optimistisch. Auch wurden seine Berichte über die Umsetzung am Arbeitsplatz jedes Mal knapper. Ich versuchte eine etwas paradoxe Fragestellung: "Ich freue mich sehr, dass Sie die neuen Techniken so gewissenhaft anwenden. Wenn man nun noch etwas verbessern wollte, was müsste das sein?" Da guckte Herr K. mich fast zornig an und sagte: "Ich glaube, ich will das gar nicht! Sie haben recht, ich setze alles fleißig um, aber mir geht es nicht gut dabei."
Verständnis für Widersprüchlichkeit schaffen
Herr K. ließ sich von seinen inneren Widersprüchen wenig erschüttern, das machte es einfach. Vielen Klienten geht es aber anders. Es ist ihnen nahezu peinlich, dass sie auf einmal ungute Gefühle und vage Bedenken haben. Auch ich als Beraterin musste erst lernen, so etwas als einen normalen Verlauf zu akzeptieren. In meiner Anfangszeit war ich manchmal fast enttäuscht und empfand das Zaudern eines Klienten als "Umfallen".
Doch das Akzeptieren von Widersprüchlichkeit ist ein großer Schritt nach vorne, auch wenn sich das nicht so anfühlt.
Mit assoziativen Techniken das Unbewusste einladen
Wenn es daran geht, die "angezogene Handbremse" zu erforschen, hilft ein rationales Gespräch oft nicht weiter. "Was stört Sie denn daran?", solche Fragen hat sich der Klient oft selbst schon gestellt. Besser sind assoziative Techniken, die das Unbewusste leichter einladen können:
- aus unterschiedlchsten Bildmotiven ein passendes wählen, zu dem man sich irgendwie hingezogen fühlt
- aus Gegenständen im Coachingraum etwas aussuchen, was einem ins Auge springt
- eine Entspannungsübung mit einer Phantasiereise zu einem symbolischen Gegenstand
- ein Tier benennen, was das Problem lösen könnte
- oder die Zauberfrage: "Stellen Sie sich vor, Sie würden morgen aufwachen und die Lage wäre besser: was würde da anders sein?"
Bei der Zauberfrage lächelte Herr K. und sagte: "Dann könnte ich endlich alle Dinge wieder in Ruhe tun und wäre sicher, dass keine Fehler passieren." Nun war der innere Konflikt erkennbar:
Auf der einen Seite das Vorhaben von Herrn K., seine Arbeitseffizienz durch besseres Zeitmanagement zu erhöhen, auf der anderen Seite seine (unbewussten) Motive Sicherheit und Fehlerfreiheit. Die hatte er, ohne es zu wissen, im Dienste der Verbesserung quasi "geopfert".
Wie kann es nun weitergehen? Da bieten sich zwei Richtungen an:
A. Man revidiert sein bewusstes Zeil, um seinen unbewussten Motiven entgegen zu kommen.
Das hieße für Herrn K., die Effizienzanstrengungen aufzugeben, sich wieder mehr Zeit zu nehmen und dem Arbeitsdruck in der Firma ein Stückweit zu trotzen oder zumindest Wege zu finden, wie er trotz des Arbeitsdrucks die für ihn wichtige Sicherheit gewährleisten könnte.
B. Man bleibt trotz des erkannten widerstrebenden Bedürfnisses bei seinem Entschluss.
Dann braucht man weiterhin eine Menge Energie, nämlich Willensstärke, um seine Entscheidung gegen inneren Widerstand durchzusetzen. Das kann durchaus sinnvoll sein!
Unbewusste Motive brauchen manchmal ein Update
Manche Motive wurzeln früh in der Kindheit. Dort waren sie sinnvoll, aber im Arbeitsleben sind sie fehl am Platze. Dies entscheidet das Bewusstsein, also die Großhirnrinde bzw. wie ich es gerne ausdrücke: das Erwachsenen-Ich.
Das kann - im Beispiel des Sicherheitsmotivs- untersuchen, welche Gefahren wirklich drohen, und ob man sie nicht auch eingehen kann. Schließlich ist man ja kein kleines Kind mehr.
Herr K. wählte schließlich die Alternative B. Zuvor hatte er im Detail überlegt, was konkret schief gehen könnte, wenn er weiterhin zügig arbeiten und nicht alles doppelt kontrollieren würde.
Das war nicht so viel, wie er gedacht hatte. Auch konnte er sich an keinen gravierenden Fehler seinerseits erinnern. Zur Sicherheit sprach er mit seinem Chef, der die Arbeitsbelastung anerkannte
und ihm den Rücken stärkte. Letzendlich verantwortet die Firma, welches Fehlerrisiko sie eingehen kann und will. Danach konnte Herr K. sich mit neuer Gelassenheit um seine
Zeitmanagement-Techniken kümmern.
Kommentar schreiben