von Sabine Neugebauer
Das Zürcher Ressourcen-Management, ein wissenschaftlich fundiertes Selbstmanagement-Programm (Storch, Krause, 2017) beschreibt anschaulich, wie man innere Zielkonflikte zwischen rationalen Absichten und unbewussten Motiven erkennt und löst.
Wir haben alle viele Ideen und Wünsche im Hinterkopf, die wir immer schon mal verwirklichen wollten. Wenn wir uns nun entscheiden, ein Vorhaben konkret anzugehen, dann ändert das die innere und eventuell auch die äußere Dynamik. Er bringt das bisherige Gleichgewicht ins Wanken. Die Auswirkungen können kleiner oder größer sein, emotional oder sozial. Daher ist es gut, schon beim Treffen der Entscheidung dafür zu sorgen, dass meine Entscheidung zu einem möglichst guten neuen Gleichgewicht führt.
Motive mit Konfliktpotenzial
Durch einen Entschluss können Motive gefährdet werden, die bisher gut befriedigt und deshalb nicht spürbar waren.
- Beispiel: Das Motiv "Harmonie in der Famile", wenn ich plötzlich mehr Zeit für mich selbst beanspruche.
Es kann auch Widerstand von Motiven entstehen, die im entsprechenden Lebensbereich wichtig sind, die man sich aber nicht so richtig eingesteht oder verdrängt hat.
- Beispiel: Das Motiv "Sicherheit", wenn ich die Stelle wechseln will.
Und es können Reaktionen des sozialen Umfeldes auf die eigene Entscheidung eintreten, was widerum eigene Motive aufweckt.
- Beispiel: Nachdem ich mich auf eine Führungsposition beworben habe, beschließt mein Partner, ein nebenberufliches Studium zu beginnen. Das alarmiert meine Motive "Sicherheit" (Wen lernt man da kennen?) und "Bequemlichkeit" (kann mir nicht mehr den Rücken freihalten).
Technik 1: Bildassoziationen
Für die Beispielfälle gehen wir in eine Reha-Klinik für Herzinfarktpatienten. Carolin (62) und Achim (58) haben sich vorgenommen, in ihrem Alltag mehr Sport zu treiben. Um diesen Vorsatz zu unterstützen, sollen sie sich ein Bild aus einer Vielzahl von Fotos und Postkarten auswählen.
Carolin hat sich eine Postkarte mit einer jungen sportlichen Läuferin an einem Strand vor der Skyline von New York ausgesucht. Nun werden in einer Beratungsgruppe frei alle möglichen
Assoziationen zu diesem Bild gesammelt. Dabei fällt auf, dass neben dem Thema Sport und Bewegung auch Themen wie Jugend, Reisen und Fernweh auftauchen. Wie kann sie solche Motive in ihren
Sportvorsatz einbauen, damit er wirksamer ist?
Achim's Bild zeigt einen Bodybuilder beim Gewichtheben. Die Gruppe assoziiert Begriffe wie Anstrengung, Anspannung, Kraft und Belastung. Achim wird nachdenklich. Geht er den Sport nun mit der gleichen Verbissenheit an wie seine Arbeit? Gerade das wollte er doch ändern!
Technik 2: Perspektivenwechsel
Was ändert sich für wichtige Personen, wenn die Entscheidung umgesetzt wird? In der Beratungsgruppe wird gesammelt, wer tangiert sein könnte. Dann versetzen sich Freiwillige in deren Lage und schildern, wie sie es empfinden würden.
Carolin bekommt folgendes zu hören: "Wenn ich dein Mann wäre, würde ich mich unsicher oder sogar bedroht fühlen. Du hast hier schon 12 kg abgenommen und siehst echt gut aus. Wenn du nun dreimal die Woche mit fremden Leuten durch den Wald läufst, und ich sitze nach wie vor mit Übergewicht vor dem Fernseher, ich glaub, ich würde dir das vermiesen!"
Zu Achim sagt ein Gruppenmitglied: "Wenn ich mich in deinen Chef hineinversetze, dann hätte ich ein sehr schlechtes Gefühl. Was du alles gewuppt hast mit Überstunden und deiner langjährigen Erfahrung. Und nun willst du deine Arbeitszeit verkürzen? Ehrlich gesagt, ich würde versuchen, dich loszuwerden, um jemand Neuen zu bekommen, der so schuftet, wie du bisher."
Technik 3: Der "somatische Marker"
Oft braucht es viel Gedanken- und Diskussionsarbeit, bis die Vorhaben so verändert sind, dass die Nebenwirkungen nicht die Vorteile übertreffen. Doch diese Arbeit ist es wert! Am Ende soll ein knackiger Satz stehen, der ein Haltungsziel formuliert: Mit welcher inneren Haltung gehe ich zukünfitg an alle relevanten Situationen heran?
Natürlich müssen für die einzelnen Situationen auch noch Pläne gemacht werden, aber entscheidend für den Erfolg ist erst einmal dieses Haltungsziel. Und ob es passt, kann man förmlich sehen: Wenn der Zielsatz ausgesprochen wird, dann muss sich der ganze Gesichtsausdruck verändern, dann muss ein Glänzen in den Augen sein und ein "glückseliges Grinsen", wie Storch und Krause es nennen. Das emotionale Erfahrungsgedächtnis, der Ort unserer Intuition, hat das Vorhaben dann als erfolgversprechend eingeordnet und sendet "somatische Marker" an den Körper. Welche Formulierung so wirkt, kann auch ich als erfahrene Beraterin nicht vorhersehen. Das ist individuell sehr unterschiedlich. Aber jeder Laie kann es buchstäblich sehen, dieses Aufblitzen von Stimmigkeit. Solange muss gesucht werden!
Carolin hatte es schwer. In den Diskussionen der Beratungsgruppe wurde ihr immer klarer, dass sie durch den Herzinfarkt aufgewacht war. Sie betrachtete einiges in ihrem Leben kritisch, ihren langweiligen Alltag wie auch die nicht mehr ganz so glückliche Ehe. Erste Formulierungen wie "Ich laufe, aber ich laufe nicht weg." brachten keine Reaktion mit somatischen Markern. Auch ein "Wir laufen gemeinsam." wirkte nicht. Nach einem langen Spaziergang alleine entschied sie sich, weitere Veränderungen in ihrem Leben nicht mehr als Bedrohung abzulehnen. Ihr Haltungsziel wurde der Satz: "Laufen ist Bewegung. Und Bewegung ist Leben."
Achim fand ziemlich schnell seinen Satz: "Ich arbeite mit Verantwortung - für die Firma und für mich." Noch in der Reha schrieb er eine Mail an seinen Chef, dass er sich auf seine Arbeit freue. Er würde zukünftig zwar anders arbeiten, aber genauso verantwortungsvoll und verlässlich.