von Sabine Neugebauer
Die sogenannten Bauchentscheidungen werden immer wieder gelobt. Sind sie tatsächlich besser als rationale Erwägungen? Und wenn ja - wodurch kommt das zustande?
Intuitive Entscheidungen reifen ohne unsere bewusste "Aufsicht" heran. Irgend wann haben wir eine innere Gewissheit, was für uns die richtige Wahl ist. Die Entscheidungsprozesse laufen unbewusst ab, verdeckt für unseren rationalen Geist.
Intuition als unbewusster Entscheidungsprozess
Bauchentscheidungen laufen nicht im Bauch, sondern wie die rationalen Entscheidungen im Gehirn ab, allerdings in anderen Bereichen. Die neuronalen Strukturen, die dabei aktiv sind, werden "emotionales Erfahrungsgedächtnis" genannt. Dort sind alle Erfahrungen gespeichert, die eine emotionale Bedeutung für uns hatten. Das können positive Erinnerungen sein von Belohnungen und Erfolg, oder negative von Nachteilen, Gefahren und Bedrohung. Die emotionalen Marker identifizieren alle wichtigen Lebenssituationen und geben uns dadurch einen reichhaltigen Erfahrungsschatz, der viel größer ist als unser bewusstes Gedächtnis. In diesem emotionalen Erfahrungsgedächtnis laufen die intuitiven Entscheidungen ab.
Schnellschuss-Reaktionen sind nicht gemeint
Davon abzugrenzen sind die simpel unüberlegten - ich nenne sie gerne "Hauruck"-Entscheidungen. Dabei wird zwar auch auf rationale Vorüberlegungen verzichtet, aber statt eines unbewussten Abwägungsvorgangs erfolgt eine Schnellschuss-Reaktion. Dabei wird nicht das emotionale Erfahrungsgedächtnis genutzt. Oft handelt es sich eher um eine Trotzreaktion. Jemand ist gekränkt und entscheidet sich für etwas, was seinen Selbstwert kurzfristig wieder herstellt. Oder man findet die Unsicherheit einer noch nicht entschiedenen Situation unerträglich und beendet sie durch eine blinde Wahl.
Chancen und Risiken von intuitiven Entscheidungen
Bauchentscheidungen werden im unbewussten emotionalen Erfahrungsgedächtnis "erarbeitet". Unser Bewusstsein bekommt nur das Ergebnis mitgeteilt, oft auch eher als (Körper-)Gefühl oder Vorstellungsbild, denn als klare Antwort.
Damit sind folgende Chancen verbunden:
- Nutzung des emotionalen Erfahrungsschatzes, der größer ist als unser bewusstes Gedächtnis
- Automatische, komplexe Abwägungsvorgänge
- Hohes persönliches Gewissheitsgefühl
Allerding muss man diese Risiken in Kauf nehmen:
- Keine bewusste Kontrolle darüber, welche Erfahrungen berücksichtigt wurden
- Sind im jeweiligen Thema genug persönliche Erfahrungen vorhanden?
- Sind die Erfahrungen aktuell noch relevant (Rahmenbedingungen anders)?
- Nicht transparent und nachvollziehbar für andere Personen
Wann Nachdenken schadet
In wissenschaftlichen Untersuchungen wurde erforscht, in wieweit intuitive Entscheidungen den bewussten, informationsgestützten Entscheidungen überlegen sind. Eingeschätzt wurden beispielsweise Aktienkurse, Fußballergebnisse oder Pferderennen. Dort gab es anschließend definitive Ergebnisse, und man konnte sehen, wer richtig lag.
Die Gruppe "Intuitiv" sollte sich die Entscheidungsalternativen vergegenwärtigen, sie auf sich wirken lassen und ihre Wahl treffen. Die Gruppe "Rational" bekam jede Menge Informationen, die sie sichten, sortieren und gewichten konnte. Erstaunlicherweise unterschieden sich die Ergebnisse beider Gruppen in den überwiegenden Untersuchungen zunächst nicht signifikant.
Anders war es jedoch, wenn Untergruppen gebildet wurden nach der Erfahrung im jeweiligen Gebiet. Dann traten starke Effekte auf! Die "Experten" waren am besten, wenn sie intuitiv entschieden. Zusätzlichen Informationen und eine rationale Entscheidungstechnik machte sie jedoch schlechter als der Durchschnitt. Die Unerfahrenen dagegen profitierten von der faktengestützten strukturieren Vorgehensweise. Sie waren bei intuitivem Vorgehen signifikant unterlegen.
Intuitive Entscheidungskompetenz üben
Intuitive Entscheidungen sollte man also nur treffen, wenn das emotionale Erfahrungsgedächtnis in diesem Gebiet gut gefüllt ist!
Dann kann man die Intuition aber auch bei der Arbeit unterstützen. In den Folgeartikeln werden wir Ihnen einige Techniken und Beispiele vorstellen, die das emotionale Erfahrungsgedächtnis anregen und aktivieren.
Grundsätzlich gilt, dass ein Zugang zur Intuition eher nicht über kopflastige Gedanken herzustellen ist, sondern
- über Körperübungen wie Bewegungen oder eine Aufmerksamkeitslenkung
- über Vorstellungen von emotionalen Bildern oder von relevanten Erinnerungen
- oder über Klänge aus Natur und Musik, die uns in eine leichte Trance versetzen.
Ein Gedanke zum Schluss: Seien Sie nicht ungeduldig, wenn die Intuition länger arbeitet, als Sie es sich wünschen. Auch unbewusste Vorgänge brauchen Zeit.
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